Sie ist das Nonplusultra für Pistenfahrer, das Ziel für tausende Skibegeisterte und sie verspricht Fahrspaß und ungeahnte Freude am Schneesport Nummer 1: Die Carving-Technik! Genauer gesagt: das Fahren mit geschnittenen Schwüngen auf der Kante. Seit der flächendeckenden Einführung der Ski mit eigenem Radius (die Ski sind vorne und hinten breiter als in der Mitte), versucht man auf Europas Pisten Kurven auf der Kante ohne Driftanteil zu fahren.
Carving ist so sehr beliebt, dass der Deutsche Skiverband im Ski-Lehrplan Merkmale für „gute Skifahrer“ ausweist – und dabei der Kurvenqualität entscheidende Bedeutung einräumt. „Je weniger die Seitwärtsbewegung (Driftanteil), desto hochwertiger die Kurve“, steht dort. Wir erklären mithilfe unserer Experten in unserem Skitechnik-Special, wie ihr das schafft – und ein „guter Skifahrer“ werdet.
Was ist Carving?
Unter Carving versteht man eine Ski-Technik, bei der die Kurven auf den Kanten der Skier gefahren werden. Der Name ist vom englischen Begriff „to carve“ (schnitzen) abgeleitet. Denn beim Carving, „schnitzen“ die Stahlkanten der Skier deutliche Spuren in den Schnee. Im Vergleich zum Wedeln beim klassischen Alpinski kann dabei die Bremswirkung in der Kurvenphase deutlich verringert werden. Die größte Herausforderung allerdings beim Carving besteht darin, sein Gleichgewicht zu halten und ein mögliches Wegrutschen der Skier zu verhindern. Wem das gelingt, der genießt einen besonderen Geschwindigkeitsrausch.
Schwünge auf der Kante nicht mehr nur Profis vorbehalten
Ski-Experte Dr. Frank Reinboth vom Bundeslehrteam alpin des DSV weiß zu berichten, dass geschnittene Schwünge nicht erst mit den Carving-Skiern gefahren wurden: „Geschnittene Schwünge gab es schon früher, allerdings waren sie einer kleineren Gruppe von sportlichen Skifahrern, Rennläufern und sehr guten Skifahrern, vorbehalten. Mit den Carving-Ski hat sich das geändert.“
Carving: Skifahren ohne Driftanteil
Aber warum kann jetzt auch ein „Normalo“-Skifahrer eine Kurve auf der Kante fahren? Das liegt am Radius der Ski: Schafft es der Fahrer, durch Körperbewegungen seine Ski auf die Kanten zu stellen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren und umzufallen und gleichzeitig die Skienden vor dem Rutschen zu bewahren, fährt der Carving-Ski von alleine eine Kurve, die seinem Radius entspricht. Großer Radius = weite Kurve, kleiner Radius = enge Kurve. Das klingt einfach, in der Praxis scheitern aber enorm viele Skifahrer daran, eine Piste ausschließlich auf der Kante ‚herunterzucarven‘ – obwohl die Pisten heutzutage durch sehr gute Präparation oft perfekte Bedingungen liefern.
Die Grundposition
Dr. Frank Reinboth erklärt uns im Interview die wichtigsten Elemente der Carvingtechnik. Worauf kommt es denn nun an, Herr Reinboth? „Typischerweise werden Carving-Kurven in einer offenen Skistellung, also hüft- bis schulterbreit gefahren.“ Das ist so, damit sich der Bewegungsraum deiner Beine vergrößert, man also mehr Platz für die Beine hat. Einfach nachzuvollziehen, wenn man sich einmal hinstellt, die Füße ganz eng zusammen macht, die Hände auf die Knie legt und versucht, diese dann zur Seite zu kippen. Das funktioniert nämlich nicht so gut – anders ist es, wenn man die Beine hüftbreit auseinander hat. Die Grundposition auf dem Ski zeichnet weiterhin dadurch aus, dass Fuß-, Knie- und Hüftgelenke leicht gebeugt sind, die Ski selbstverständlich parallel geführt werden und die Arme, ebenfalls leicht angewinkelt, locker seitlich vorne gehalten werden.
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Merkmale des Carving-Technik
Der geschnittene Schwung wird über die Beine initiiert. Am Anfang der Kurve steht der Druckaufbau auf den Ski und die Körperverlagerung nach vorn. Das erste Teilziel ist, den kurvenäußeren Ski so früh wie möglich aufzukanten. „Dies erreichen wir zu Beginn durch eine Gesamtkörperbewegung zur Kurvenmitte, im weiteren Verlauf durch ein zunehmendes Verschieben und Absenken von Becken und Beinen“, erklärt Dr. Frank Reinboth. Wichtig dabei: Die Körperverlagerung geschieht nicht durch eine Verwringung oder Drehbewegung des Körpers, sondern durch „in die Kurve lehnen“ – also über eine seitliche Kippbewegung. Diese wird aus den Fußgelenken eingeleitet und weitergeführt über die Knie, Hüfte und schließlich den ganzen Körper. „Der Oberkörper gleicht dabei aus, sodass die Belastung der Ski sichergestellt ist“, ergänzt Frank Reinboth. Dies führt zu einem beim Carving typischen Hüftknick – den ihr gut in den Fotos, die diesem Artikel beigefügt sind, nachvollziehen könnt.
„Die Belastung verteilt sich auf beide Ski, wobei der Außenski dennoch eine Mehrbelastung hat. Dadurch lassen sich die carvingtypischen zwei Linien im Schnee erzeugen. Ein weiterer Grund für eine beidbeinige Belastung ist, dass wir mit beiden Beinen mehr Kurvenkräfte aufnehmen können – diese entstehen bei höheren Kurvengeschwindigkeiten auf engeren Radien.“ Etwas breitere Skistellung als früher, Verlagerung des Körpergewichts nach vorne und in die Kurvenmitte, Druck auf den Außenski und beidbeinige Belastung der Beine – aber was noch brauche ich für den Carving-Schwung?
Keine Hoch- und Tiefbewegungen mehr
„Bei Carvingkurven kennen wir die früher noch stark ausgeprägten Hoch- und Tiefbewegungen nicht mehr. Wir bewegen uns nur so weit, um uns zentral über dem Ski positionieren zu können. Die Bewegungen sind angepasst an das Gelände und die Radien.“ Damit wären die grundsätzlichen Bewegungen der Carving-Technik komplett, hier nochmal im Schnelldurchlauf, zitiert aus dem Ski-Lehrplan Praxis:
- Dem Kurvenverlauf angepasste rhythmische Bewegungen sowie sportlich-dynamische und fließende Fahrweise.
- Die Skienden folgen der Bahn der Skispitzen.
- Der Körperschwerpunkt bewegt sich zum Kurvenwechsel nach vorn.
- Die Bewegungen werden aus den Beinen initiiert.
- Druckaufbau so früh wie möglich auf der Innenkante des neuen Außenskis.
- Die Knie und das Becken werden seitwärts in Richtung zur Kurvenmitte ohne Verwindung bewegt.
- Der Oberkörper gleicht aus, um optimal zu belasten.
- Die Grundposition ist gekennzeichnet durch leichte Beugung von Fuß-, Knie- und Hüftgelenken, die Ski werden parallel geführt, die Arme befinden sich seitlich vor dem Körper.
Carving-Ski: Worauf du beim Kauf achten solltest
Viele Skihersteller vermarkten deren Skimodelle nicht unbedingt als Carving-Ski, trotzdem verdient ein Großteil Skier diesen Begriff. Im Vergleich zu den Skiern vor einigen Jahrzehnten, hat sich die Länge bei sämtlichen Modellen reduziert. Des Weiteren ist auch die Verschlankung der Skimitte zu einem Standard in der Anfertigung geworden.
Die Suche nach einem Ski, der nach Kriterien der Anfertigung kein Carving-Ski ist, dürfte somit schwierig werden. Dies gilt umso stärker im Skiverleih der großen Ferienregionen, die immer stärker auf die Vorlieben jüngerer Pistenfreunde eingestellt sind und kurze Carving-Ski als Standard führen.
Sobald beim Skimodell der Zusatz GS (Giant Slalom) auftaucht, darf von einem Race-Carving-Ski ausgegangen werden. Spezielle Freerider für sehr tiefen Schnee und Supercross-Carver stellen für Anfänger eine ungünstige Wahl dar. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, entscheidet sich für einen Allrounder, der für sämtliche Schneetiefen geeignet ist und selbst kleinere Fahrfehler nicht gleich mit einem Sturz beantwortet.
Skischulen vertrauen besonders gerne auf den Fun-Carver. Der sogenannte Slalom-Carver wird nur Profis oder fortgeschrittenen Fahrern empfohlen.
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