Es ist eigentlich schwer zu sagen, wer das Snowboard erfunden hat. Immer schon haben Menschen versucht schneebedeckte Hügel auf einer Art Schlitten hinunter zu rutschen. Demnach wäre es unfair die Erfindung des Snowboards einer bestimmten Person zuzuschreiben, denn es gab einige Leute, die bereits Schlitten ähnlich einem Snowboard gebaut haben. Doch eines eint die meisten Pioniere, “Snowboarding ist mehr als nur ein Sport, Snowboarding ist eine Lebensphilosophie“, so die Worte eingefleischter Snowboarder.
Die Geburt des „Snurfer“
Einer davon war M. J. „Jack“ Burchett, der bereits 1929 ein Brett aus einer Sperrholzplatte sägte und darauf Riemen für seine Füße befestigte. Es sollte mehr als weitere 30 Jahre dauern bis schließlich 1965 Sherman Poppen ein Spielzeug für seine Tochter entwickelte, das er „Snurfer“ taufte. Der amerikanische Chemiker verband zwei Skier miteinander und befestigte an der Spitze ein Seil, um es zu halten und unter den Füßen zu stabilisieren. Bald wollten auch sämtliche Freundinnen und Freunde seiner Tochter einen dieser neuen „Snurfers“. Aus diesem Grund ließ Poppen seine neue Idee kurzerhand schützen und in Serie produzieren. Über eine halbe Million Mal verkaufte er allein im Jahr 1966 seinen „Snurfer“. Dennoch sahen die Meisten darin nur Spielzeug für Kinder und das, obwohl Poppen sogar Wettbewerbe für den „Snurfer“ veranstaltete.
An diesen Wettkämpfen nahm auch ein gewisser Jake Burton Carpenter teil, der sich sehr für den „Snurfer“ interessierte. Der damals 23-Jährige fand das neue „Spielzeug“ richtig cool, denn er hatte nie die Gelegenheit zu surfen. Seine Eltern hätten ihm nie ein Board gekauft, da Burton damals ein erfolgreicher Skifahrer war. Nachdem er sich allerdings bei einem Autounfall das Schlüsselbein brach, hatte sich für ihn das Thema Skirennen schließlich erledigt. Zum Glück, wie wir heute wissen.
Während der junge Jake weiterhin auf seinem „Snurfer“ unterwegs war, begann Dimitrije Milovich im Jahr 1969 erste Bretter auf der Basis von Surfbrettern kombiniert mit der Technik von Skiern zu bauen. Die Idee kam ihm, als er einige Hügel auf einem Tablett der College-Kantine herunterrutschte. Drei Jahre später, 1972 gründete Milovich die Firma „Winterstick“. Der Amerikaner produzierte zahlreiche Boards und sogar die „Newsweek“, der „Playboy“ und das „Powder Magazine“ berichteten, was Snowboarding natürlich immer bekannter machte. Auch wenn Milovich das Snowboard-Geschäft im Jahr 1980 wieder verließ, so war er doch ein sehr wichtiger Pionier dieses Sports.
Jake Burtons erste Boards
1977, nach seinem Abschluss an der New York University, zog Jake Burton nach Londonderry, Vermont, um mit dem Bau verschiedener Versionen des Snurfers etwas Geld zu verdienen. Seine ersten Boards baute er aus laminiertem Hartholz. Während eines erneuten Wettbewerbs schockiert Burton schließlich alle Snurfer Fahrer mit einem Sieg auf seinem eigenen Board, das bereits eine erste Bindung montiert hatte. Biese Bindung brachte den entscheidenden Vorteil in der Steuerung des Boards und erleichterte es ihm, die anderen Fahrer zu schlagen.
Daraufhin stellte Sherman Poppen im Jahr 1979 die Herstellung seines „Snurfer“ ein und widmete sich wieder seinem ursprünglichen Beruf. Parallel zu Burton produzierte auch Tom Sims seinen ersten Snowboards im Jahr 1977. Besessen vom Skateboarding versuchte sich Sims im Schnee mit einer Art „Snowboard“, das er in einem Kurs der Volkshochschule gebaut hat. Er hat lediglich ein Stück Teppich auf die Oberseite eines Stück Holz geklebt und ein Alu-Blech auf der Unterseite geschraubt. Nachdem er sich zusammen mit seinem Freund und Mitarbeiter Chuck Barfoot auf die Herstellung von Skateboards in seiner Garage fokussiert hatte, begann er ab1977 auch Snowboards zu bauen. Barfoot, der eigentlich die Snowboards für Sims baute, kam dann mit der „Flying Yellow Banana“ an. Es handelte sich lediglich um ein Skateboard Deck auf einer Kunststoffschale mit Führungskielen.
Offiziell nutzte Jake Burton erstmals 1980 die Technologie von Skiern für ein Snowboard. Sein neuer Prototyp hatte eine Lauffläche aus P-Tex, auch wenn es heißt, dass Winterstick dies bereits 1974 einsetzte. Im selben Jahr unterzeichnete Tom Sims einen Skate-und Snowboard Deal mit einem großen Gesellschaft namens Vision Sports, der ihm aus seinen finanziellen Probleme half. Barfoot war jedoch außen vor und versuchte nun selbst eine eigene Firma aufzubauen. Allerdings konnte er sich nicht gegen die großen Konkurrenten Sims und Burton durchsetzen.
Von „The Face“ bis „Apocalypse Snow“
Im Jahr 1982 fand in Suicide Six, außerhalb Woodstocks im Bundesstaat Vermont, dass erste nationale Snowboard Rennen statt. Dabei kam es mehr ums „Überleben“ an, denn das Rennen bestand aus einer steilen und vereisten Kamikazeabfahrt namens „The Face“. Drei Jahre später, war immer noch in nur 39 von geschätzten 600 Wintersportgebieten das Snowboarding erlaubt. Im selben Jahr erschien das erste regelmäßige Snowboarding Magazin (bereits 1981 gab es schon einmal eine Ausgabe des „Snowboarder“). Der Titel war „Absolutely Radical“ und wurde später in „International Snowboarding Magazine“ umbenannt. 1986 übernahm Regis Rolland, ein französischer Snowboarder, die Hauptrolle in dem Film „Apocalypse Snow“.
„Apocalypse Snow“:
Die Veröffentlichung sorgte für eine ganze Generation europäischer Snowboard-Fans, die von nun an ihre eigenen regionalen Veranstaltungen, wie die Schweizer Meisterschaften in St. Moritz organisierten. Snowboarding wurde zu einer immer beliebteren Sportart. Erste national, wie internationale Snowboardverbände wurden von Snowboardern gegründete, um sich besser organisieren zu können.
„TB5“ setzt neue filmische Standards
Noch im Jahr 1996 veröffentlichte Mike Hatchett den wohl noch immer besten Snowboardfilm „TB5“ mit Fahrern wie Noak Salasneck, Johan Olafsson und Bryan Iguchi. Die Fahrer demonstrierten sensationelle Airs, unglaubliche Stunts und nie dagewesene Tricks, gefilmt vor der atemberaubenden Kulisse von Alaska.
Nicola Thost: Heldin der Halfpipe
Für Nicola Thost waren die olympischen Winterspiele von Nagano ihr größter Erfolg. Die deutsche Snowboarderin konnte zahlreiche Siege in der Halfpipe bei Wettbewerben der ISF einfahren. Thost gewann in den Saisonen 1997/98 und 1998/99 die ISF World Pro Tour und wurde von den führenden Snowboard-Medien in Folge, von 1998 bis 2002, als Snowboarderin des Jahres geehrt. 1998 wurde Nicola Thost in Nagano die erste Olympiasiegerin in der Halfpipe. Bei ihren zweiten Olympischen Spielen in Salt Lake City, vier Jahre darauf, erreichte sie Platz 11. Im Jahr 2003 beendete die Pforzheimerin verletzungsbedingt ihre erfolgreiche Profi Karriere.
Gründung der International Snowboard Federation (ISF)
Nach dem schnellen Aufstieg des Snowboardsports entstand 1989 die International Snowboard Association, kurz ISA genannt. Die Organisation sollte eine weltweite Austragung des Sports ermöglichen. Ein weiteres Ziel der ISA war es, sämtliche Snowboarder in einer gemeinsamen Wertung zu führen und die Rennen besser zu koordinieren. Ein Jahr später schlossen sich die nationalen Snowboardverbände zur International Snowboarding Federation mit Niederlassungen in den USA, Europa und Japan zusammen. Die ISF war geboren und koordinierte fortan Wettbewerbe und Rennserien, die Wertungen der Fahrer sowie die Kommunikation untereinander und mit den Medien. In Deutschland prägte der DSDV das Snowboarding, setzte sich für die Snowboarder ein und organisierte Regio- sowie Deutschland-Cups für den Nachwuchs und die Pros.
Zu den prägendsten Protagonisten zählten in den 90er-Jahren der Schlierseer Peter Bauer und Martin Freinademetz aus Innsbruck, sowie die Freestyle-Legende Graig Kelly und Halfpipe-Ikone Terje Håkonsen. Snowboarding boomte, es herrschte Goldgräberstimmung und das registrierten auch die FIS und ihre nationalen Skiverbände. Und so veranlasste der stark ansteigende Beliebtheitsgrad die FIS 1994 Snowboarding in ihren Verband zu integrieren und startete eine zweite Rennserie. Das erzeugt vor allem unter den Snowboardern der verschiedenen Lager starke Differenzen und so herrschte von Beginn an zwischen beiden Verbänden ein schlechtes Verhältnis.
Olympia beendet den Kampf der Verbände
1995 wurde Snowboarding zur olympischen Sportart erklärt und das IOC vergab die Verwaltungsvollmacht in die Hände der FIS. Zum Ärger der ISF und seiner Snowboarder, die zu diesem Zeitpunkt als die besten der Welt galten. Damit war Snowboarding als echter sportlicher Wettbewerb akzeptiert und nicht mehr nur als ein neuer Trend, der wieder verschwinden würde. Durch die Unterordnung in einen Skiverband und dessen starr geltender Organisation sahen die Snowboarder allerdings ihren freien Geist gefährdet. Genau jener Geist, der zu diesem Zeitpunkt in der Szene sehr stark ausgeprägt war. Viel verweigerten aus diesem Grund die Teilnahme an Snowboardbewerben der FIS. Darunter zählte auch der damals dreifache Weltmeister und wohl einer der besten Snowboarder aller Zeiten, Terje Håkonsen. Bis heute wird die damalige Entscheidung des IOC als sehr umstritten und rein politisch gewertet. Die puren Snowboardverbände von Snowboardern für Snowboarder verschwanden.
Erstmals überhaupt wurde Snowboarding im Jahr 1998 in Nagano als olympische Sportart ausgetragen und dennoch gab es noch immer Menschen, die einige Vorurteile gegenüber Snowboardern hatten. Ein Zwischenfall um den Gewinner der Goldmedaille im Riesenslalom spielte denjenigen noch dazu in die Hände. Dem kanadischen Snowboarder Ross Rebagliati wurde mit der Dopingkontrolle die Einnahme von Marihuana nachgewiesen. Rebagliati wollte davon nichts gewusst haben. Er ließ wissen, dass er seit 1997 nicht mehr rauche. Das Marihuana und die erhöhten Werte sollen auf das Inhalieren von Rauch während einer Party in Kanada zurückzuführen sein. Seine Goldmedaille bekam Rebagliati nach einem Tag wieder zurück, auch weil dem Internationalen Olympischen Komitee eine Vereinbarung mit dem Internationalen Skiverband auf Marihuana-Konsum fehlte.
Zerfall der ISF
Im Jahr 1998 wurde die International Snowboarding Federation (ISF) vermehrt durch einzelne Skandale in den Fokus gerückt. Ein bedeutendes Ereignis war die Weigerung des dreifachen ISF-Weltmeisters Terje Håkonsen, an den Olympischen Winterspielen 1998 in Nagano teilzunehmen. Dies führte dazu, dass Sponsoren, Medien und Zuschauer vermehrt den Veranstaltungen des internationalen Ski-Verbands Aufmerksamkeit schenkten. Die Qualität und der Anspruch der Ski-Veranstaltungen stiegen, während die ISF in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Schließlich musste die ISF im Juni 2002 Konkurs anmelden und alle Aktivitäten einstellen.
Neue Hoffnung: World Snowboard Federation (WSF)
Die World Snowboard Federation (WSF) ist die einzige internationale gemeinnützige Organisation, die sich ausschließlich der Entwicklung des Snowboardsports auf allen Ebenen widmet. Dazu zählen Wettkampf-Snowboarding, Bildung, adaptives Snowboarden und Entwicklungsaktivitäten für Fahrer jeder Altersgruppe. Delegierte aus 14 Nationen gründeten am 10. August 2002 in München das WSF, um die Lücke nach dem Zusammenbruch der ISF zu füllen. Die Initiative wurde von Japan und Norwegen ergriffen und findet weltweite Unterstützung.
WSF ist ein Netzwerk nationaler Snowboardverbände, die weltweit mit dem gemeinsamen Ziel zusammenarbeiten, den Sport weiterzuentwickeln. Mitglieder finden beim WSF ein starkes Rückgrat der Unterstützung und Inspirationsquelle für ihre Aktivitäten. WSF schafft einen Mehrwert für alle Snowboarder auf nationaler Ebene und kann Ideen, Handbücher und Initiativen anbieten, da sie in einer Organisation mit demselben Ziel vereint sind: das Snowboarden auf allen Ebenen voranzubringen.
Snowboarding ist eine Lebensphilosphie
1998 betrug die Zahl der Snowboarder fast 50% in den Wintersportgebieten, die meisten davon akzeptieren mittlerweile Snowboarding. Heute ist Snowboarding allgemein akzeptiert, setzt weiterhin neue Maßstäbe. Zudem hat Snowboarding zahlreichen Sportarten dazu verholfen, ihre Grenzen neu zu erkunden. Die derzeitige neue Generation der Freeskier lebt diese Grenzen eindrucksvoll aus.
Doch alle diese Sportarten eint eines, sie sind mehr als nur ein Sport, es sind Lebensphilosophien!
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